Wünsche # 37 (Sebastian packt Geschenk ein)

Wünsche # 37

Sebastian legt die Schere zur Seite und faltet den Teil des Papiers, den er nicht mehr brauchen wird, wieder zusammen. Er wickelt seine Geschenke immer im gleichen Stil ein. Ungefähr alle fünf Jahre kommt es dann wieder zu einer Veränderung, aber im Moment ist es noch das silberne Seidenpapier. Er hat es auf Vorrat gekauft. Zehn Packungen mit je drei Bögen. Dazu noch fünf Rollen neongelbes japanisches Klebeband. Eines, das man leicht wieder abziehen kann. Und dieses Washi-Tape gibt dem äußeren Erscheinungsbild dann noch das gewisse Etwas. Sebastian zieht das Preisschild von dem kleinen Zierteller ab, schlägt ihn in Luftpolsterfolie ein, legt ihn gut gepolstert auf das zurecht geschnittene Stück Seidenpapier und hält inne. Da ist es wieder. Er kann es spüren. Ein ganz konkretes Bedürfnis macht sich in seinem Körper breit. Es taucht immer dann auf, wenn er ein liebevoll ausgewähltes Geschenk einpackt.
Gibt es einen Anlass für ein Geschenk, einen Geburtstag oder einen anderen Grund, der ein Geschenk erforderlich macht, möchte Sebastian nicht nur das Geschenk verschenken, sondern mit dazu auch gleich noch den Platz, den das Geschenk in der Wohnung einnehmen soll. Sebastian schluckt. Er sieht den Zettel schon vor seinem inneren Auge aufblitzen. Ein kleiner weißer Zettel, auf dem steht, wo sein Geschenk hingestellt, hingehängt, hingelegt oder dagegen gelehnt werden soll. Er will durch das Mitbestimmen des Platzes seinen Wert festlegen. Den Wert, den er für die andere Person hat. Das will er auf keinen Fall den Beschenkten überlassen.

 

Alltag # 66 (Marie staubsaugt…)

Alltag # 66

Marie tritt mit dem Fuß auf den Einschaltknopf des Staubsaugers, hält das lange schwarze Rohr mit beiden Händen fest und führt es an der unteren Kante der Fußbodenleiste entlang. Die Staubknäuel, die es dort hingeweht hat, werden sofort verschluckt. Ruckzuck sind sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Marie findet das erstaunlich, dass sie überhaupt keinen Widerstand haben. Sie können keinen haben, denkt Marie, denn sie sind mit keinem ausgestattet worden. All diese Staubknäuel, die sich am liebsten an Plätzen ansammeln, wo sie vom Durchzug geschützt sind, müssen sich von mir aufsaugen lassen. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als das zulassen, ob sie wollen oder nicht. Denn keines der Staubknäuel besitzt einen Giftstachel, der mich oder die Elektrik des Staubsaugermotors außer Gefecht setzen könnte, auch besitzen sie keine Saugnäpfe, mit denen sie sich am Boden festhalten können. Jedes Knäuel wird ohne Abwehrmechanismus geboren. Marie dreht sich und führt das schwarze Rohr auf der anderen Seite des Flurs an der unteren Kante der Fussbodenleiste entlang. Wäre jedes Staubknäuel mit Saugnäpfen ausgestattet worden, denkt sie sich, dann hätte man etwas anderes erfinden müssen, um sie loszuwerden. Ein Staubsauger hätte dann nicht mehr ausgereicht. Vielleicht wäre von jemanden ein Staubmesser erfunden worden, damit man sich von dem Gewölk befreien könnte oder ein größeres elektrisches Gerät, dass einem das Bücken ersparen würde, so etwas wie ein Staubmäher. Ein Gerät mit scharfen Klingen. Vielleicht hätte ich das mit dem Staubmähen aber auch sein lassen, weil ich keine Lust gehabt hätte, nach dem Mähen auch noch das graue Staubblut zusammenzuwischen. Vielleicht hätte ich die Staubknäuel lieber bei mir liegen lassen. Wachsen lassen. Oder ich hätte damit angefangen Staubknäuel zu züchten, weil von irgendeinem Schlaumeier das Staubblut zu einem Superfood deklariert worden wäre. Und es in Mode gekommen wäre, es ampullenweise zu trinken. Und vielleicht wäre genau das mein Lieblingsjob geworden, in meiner Wohnung Staubknäuel zu züchten, um das aufgewischte Blut höchstbietend verkaufen zu können. Wer weiß.

 

 

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Lebensentwürfe # 19( Und mit jedem Blick…)

Lebensentwürfe # 19

Und mit jedem Blick aus dem Fenster trage ich mich fort.

Wünsche # 38 (Sebastian bucht ein Seminar …)

Wünsche # 38

Sebastian sitzt am Schreibtisch und klickt auf die gerade eingetroffene E-Mail. Endlich, denkt er, werden mir die notwendigen Informationen zugeschickt. Obwohl es für Sebastian ein Graus ist, mit Menschen in einem Kreis zu sitzen und etwas von sich Preis zu geben, konnte er sich im Juli einen Ruck geben und ein dreitägiges Seminar buchen. Es findet nur zweihundertfünfzig Kilometer von seinem Wohnort entfernt statt. Also machbar. Als er sich vor vier Monaten dafür angemeldet hat, hat er sich in seinem Kalender auch gleich die Tage dafür blockiert. Sebastian will etwas in Angriff nehmen, ins Auge fassen. Er will sich seinem Ausweichen stellen. Sebastian findet, dass so vieles in seinem Leben belanglos, gleichförmig, stupide und schal ist. Und er will noch nicht aufgeben mehr zu wollen! Diese Stagnation, die die Lebensfreude auf der Strecke lässt, lässt sich doch ändern! Das Seminar wird mein Rohrverstopfungsreiniger sein, denkt Sebastian. Es wird mich durchpusten. Mich befreien. Die Leiterin, die auf ihrer Webseite ein äußerst sympathisches Video veröffentlicht hat, wird dafür die richtigen Worte haben. Sie ist geschult, erfahren und kann emotionale Abläufe durchschauen. Sebastian geht davon aus, dass sie bei ihm etwas bewirken wird und auch davon, dass das Seminar bei ihm etwas auslösen wird. In der Natur wird auch ständig etwas ausgelöst. Zum Beispiel lösen dort Temperaturen etwas aus. Eine Temperatur löst Regen aus, eine andere Schnee und wieder eine andere die Schneeschmelze. Also warum sollte so ein Seminar nichts bei mir auslösen können! Außerdem ist es auch mal an der Zeit, das etwas angestoßen, aufgestoßen, entlarvt wird. Es soll und wird und muss auch mal voran gehen. Sebastian spürt, wie sich sein Brustkorb weitet. Sich die Muskulatur in seinem Nacken entspannt. Auch seine Augen. Sebastian findet, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat. Ich habe zugelassen, dass etwas geschehen kann. Sebastian ist mit sich zufrieden, atmet tief durch, unterbricht seine Gedanken, schaut zurück auf den Bildschirm und konzentriert sich auf die vor ihm stehenden Zeilen. Man solle das Geld für das Seminar in bar mitbringen, steht da. Weiter liest er, dass man vor Ort nicht mit Karte bezahlen kann. Sebastian findet aber keine Information darüber, ob er schon bezahlt hat. Er kann sich nicht mehr daran erinnern, ob er den Betrag bereits vor ein paar Monaten überwiesen hat. Er denkt schon, aber eine schriftliche Betätigung wäre ihm lieber. Sebastian sucht in seinem Eingangspostfach nach weiteren E-Mails, die das Seminar betreffen. Er findet aber nur eine einzige weitere E-Mail und die bestätigt nur, dass er sich angemeldet hat und mehr nicht. Sebastian seufzt und beschließt nachher seine Kontoauszüge zu durchforsten. Weiter steht da, man solle bequeme Kleidung mitbringen und eine Decke. Aus Energiespaargründen wird es so sein, dass der Raum nicht, wie sonst üblich, so gut beheizt werden kann. Mein Weekender wird mit einer warme Decke bereits voll sein, denkt Sebastian, und erinnert sich daran, dass er auch noch kein Hotel gebucht hat. Er sucht in der E-Mail nach der Adresse des Veranstaltungsortes, um eine möglichst nah gelegene Unterkunft zu finden. Auch benötigt er noch die Seminarzeiten, um entscheiden zu können, wann genau er losfahren muss, um pünktlich vor Ort zu sein. Aber weder die Adresse des Veranstaltungsorts wird in dem Schreiben erwähnt, noch steht da etwas über die Seminarzeiten. Sebastian schnauft. Auf einmal kommt ihm alles so umständlich vor. Beschwerlich. Nicht mehr der Mühe wert. Auch befürchtet er, in einem schrecklich eingerichteten Hotelzimmer übernachten zu müssen und während des Seminars nur ungesundes Zeug essen zu können und, dass er keinen von den anderen Teilnehmern sympathisch finden wird. Die Freude etwas in Gang gebracht zu haben schmilzt ihm unter den Fingern weg.

 

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Alltag # 67 (Ich fange das Ganze schon wieder…)

Alltag # 67

Ich fange das Ganze schon wieder so verkrampft an, als hätte ich noch nie gespielt, einfach nur so.