Kategorie: Zweiunddreißigstes Set
Zweiunddreißigstes Set
Alltag # 86 (Wuthaar…)
Ich # 46 ( In meinem Gehirn… Prozesse)
Kultur # 55(GIF)
Kultur # 55
GIF =
Gelassenheit Imponiert Frederike
Geldsegen Institutionalisieren Frohlockt
Gegner Idealisieren Frustriert
Geborgenheit Irritiert Freilich
Geistesblitz Imaginiert Fangemeinde
Gänsehaut Initiieren Fesselt
Gänseblümchen Immer Fügsam
Gabi Ignorieren Fetzt
Gerücht Irre Fantasielos
Griesbrei Importierende Fachkraft
Gasrechnung Immens Fatal
Gebrechen Intensiv Fotografieren
Größenwahnsinnigen Interessiert Fussball
Gerüstbauer Imkert Frohgemut
Glühwürmchen Ich Fortblase
Du # 47 (Eliza und Froni/ Freundschaft)
Du # 47
»Eliza ist seit drei Jahren meine Freundin und jetzt bin ich mit ihr an einem kritischen Punkt angelangt. Natürlich weiß ich, dass es in Freundschaften Probleme geben kann. Ich weiß auch, dass Freundschaften zu Bruch gehen können. Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas erlebe. Mir ist das schon mit Froni passiert. Sie hatte ich so gern, dass ich über Jahre der festen Überzeugung war, das reiche für eine lebenslange Freundschaft aus. Und dann war dem doch nicht so. Aus heutiger Sicht finde ich das, was damals geschehen ist, absurd. Froni habe ich an der Uni kennengelernt. Wir studierten beide Produktdesign. Nachdem ich meinen Abschluss in der Tasche hatte, bin ich nach Hamburg gezogen und Froni ist in Wien geblieben. Wir haben das als Vorteil gesehen, weil wir uns nun gegenseitig besuchen konnten, und zwar in den Städten, die uns beiden am Herzen lagen. Das lief prima. Jahrelang besuchte sie mich in Hamburg und ich sie in Wien. Da wir während des Studiums auch zusammen gewohnt hatten, kannte ich Froni gut, also auch die Eigenart, die später den entscheidenden Ausschlag gegeben hatte: Ihren Geiz. Den hat sie ausgiebig praktiziert, der war für alle offensichtlich und unübersehbar. Jahrelang hat mich das nicht gestört, aber ein einziges Mal ärgerte mich ihre Knausrigkeit dann doch. Ich traue es mich kaum auszusprechen aber der Grund für die Trennung war ein leerer Kühlschrank. So banal. Ich weiß. Dabei war es ja eigentlich nur so, wie es immer war. Kam ich zu ihr, war ihr Kühlschrank leer. Kam sie zu mir, war mein Kühlschrank voll, mit kostbaren Leckereien. Mir machte das Freude, mich so auf ihren Besuch vorzubereiten. Ich hatte diese Differenz aber nie beanstandet und auch nie als beanstandenswert empfunden. Es war einfach so. Einfach etwas, das uns unterschied. Aber dann bin ich wieder einmal bei ihr zu Besuch, öffne wieder einmal ihre Kühlschranktür und sehe wieder einmal, dass keine Butter da ist, kein Aufschnitt, kein Käse, kein Gemüse, kein Obst, kein Joghurt und mir reißt die Hutschnur. Das hat mich selbst völlig überrascht. Danach fuhr ich nicht mehr nach Wien. Seit einigen Jahren versuche ich sie zu googeln. Vergebens. Froni hat so einen Allerweltsnachnamen. Ich möchte sie um Verzeihung bitten, ihr sagen, wie blöd ich damals war. Dass ich heute gar nicht mehr verstehen kann, dass ich wegen nicht vorhandener Lebensmittel nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Dass ich sie deshalb für engspurig, ungastlich und komplett ichbezogen gehalten hatte. Und aus diesem Grund misstraue ich nun auch dem Impuls, den ich seit Tagen wegen Eliza mit mir herumtrage. Denn auch die Freundschaft mit Eliza möchte ich hinschmeißen. Seit ein paar Tagen ertappe ich mich immer wieder bei dem Gedanken, dass mich nur noch das abrupte Beenden dieser Freundschaft retten kann. Aber gleichzeitig frage ich mich auch, ob ich das nicht maßlos übertreibe. Denn ich könnte über den Vorfall auch einfach hinwegsehen. Bisher habe ich bei Eliza noch nie etwas als grob empfunden. Ich freue mich jedesmal, wenn ich sie sehe und konnte bisher auch in ihrem Gesicht ablesen, dass sie sich über mich freut. Unsere vier Augen strahlen dann einfach. Eliza findet meine einfach gestrickten Vorschläge gut. Ich überlege mir oft wo wir spazieren gehen könnten oder was wir im Museum ansehen könnten. Und sie mag es, wenn ich zu ihr komme, wir gemeinsam eine Serie ansehen und dabei Rotwein trinken, Chips und Schokolade essen. Und auch das gefällt mir. Aber jetzt hängt alles an einem seidenen Faden und ich muss entscheiden, ob ich für sie oder gegen sie bin. Vor ein paar Tagen hatte ich ihr vorgeschlagen, am Sonntag aufs Land zu fahren, wo es einen waldumrandeten See gibt mit wunderbar klarem und fast schon türkisfarbenem Wasser und einen Wanderweg drumherum. Alles schön schattig. Eliza antwortete mir mit einer SMS, sie hätte zu tun und könne am Sonntag nicht. Aber am Sonntag Abend gegen zweiundzwanzig Uhr kam dann eine SMS von ihr. Sie wäre jetzt doch an diesen Ort gefahren, den ich vorgeschlagen hatte, und sei dort Spazieren und Schwimmen gewesen, sie fand es herrlich, sie sei allein dort hingefahren. Und seither trägt mein Gehirn diesen grauen Schleier. Noch weiß ich nicht, ob ich meinen destruktiven Gefühlen nachgeben werde. Und wie destruktiv ich sein muss, um meine Angst in Schach zu halten.«
Abgehört # 36 (Kind macht Geldwäsche)
Abgehört # 36
Fünf Jahre altes Kind über der Badewanne gebeugt:
»Was machst du denn da?«
»Geld waschen!«
Kultur # 56(Fahrräder Hausflur)
Kultur # 56
Im Hausflur lehnen drei Fahrräder an der Wand. Eines von ihnen ist ein sportliches Rennrad. Die beiden anderen sind mit Kindersitzen ausgestattete Hollandräder. Über ihnen hängt ein DIN-A-3 großer Zettel mit der Aufschrift: Bitte keine Räder im Flur abstellen. Die Hausverwaltung. Eine Person hat mit einem schwarzen Edding quer über die Ansage einen Strich gezogen und jemand anderes hat unter dem Strich mit Kugelschreiber ein Herz hingemalt.
Wünsche # 46 (Ich bin da, auch wenn ich nicht bei allem dabei bin.)
Alltag # 87 (schwierig, unangenehm, mühselig…Ich)
Alltag # 87
Schwierig, unangenehm, mühselig, aufreibend, anstrengend, beschwerlich, kraftverzehrend, unerträglich, belastend: Ich
Du # 48 (Kniebeben bei Mutterbesuch…)
Du # 48
Ich sitze im Wohnzimmer meiner Mutter. Sie sagt etwas Blödes und meine Knie beginnen zu beben. Ich weiß, dass das Wohnzimmer jetzt nicht von meinen Knieeruptionen ausgelöscht werden wird. Nichts wird jetzt durch die Eruptionen meiner Knie von einer Sekunde zur anderen zum Teil einer bereits untergegangen Zeit. Das Wohnzimmer wird einfach weiter bestehen und der Nachmittag mit meiner Mutter auch.
Alltag # 88 (Sebastian Kerzenständer…)
Alltag # 88
Sebastian steht in seinem Schlafzimmer mit einem um die Hüfte gewickelten Handtuch. Er kommt gerade aus der Dusche, öffnet die Tür zum Kleiderschrank und lässt das Handtuch auf den Boden gleiten. Das erstaunt ihn. Normalerweise nimmt er es ab und legt es sorgfältig auf den Hocker, der ihm als Kleiderablage dient, um es später zum Trocknen an einen Haken zu hängen. Er vermutet, dass er das gerade wegen Anna getan hat. Anna hatte öfters von ihm verlangt, dass er sein um die Hüfte geschlungenes Handtuch vor ihren Augen auf den Boden fallen lassen soll. Und weil er wusste, wo Anna dann hinsehen würde, hatte das bei ihm gleich eine Schwellung bewirkt, noch bevor er das Handtuch überhaupt geöffnet hatte. Jetzt ist sein Handtuch aber einfach nur auf den Boden gefallen und sein Geschlechtsteil ist schlaff geblieben. Er hebt das Handtuch wieder auf und dabei fällt ihm der Kerzenständer ein. Er geistert schon seit Tagen in seinem Kopf herum. Sobald er mit dem Ankleiden fertig ist, wird er nach ihm sehen. Er will das mit dem Kerzenständer nicht noch länger auf die lange Bank schieben. Sebastian knöpft sein Hemd zu, lässt die beiden oberen Knöpfe auf, schlüpft in die Hose, zieht den Reißverschluss zu, macht sich barfuss auf den Weg ins Sofazimmer, stellt sich mittig vor das wandhohe Bücherregal, stemmt seine Arme in die Hüften und zwingt sich, den Kerzenständer anzusehen. Den hat ihm Anna irgendwann aus Italien mitgebracht. Von einer Insel, die bekannt ist für ihre Glasherstellung. Anna hat ihm den Kerzenständer in der Zeit geschenkt, als sie noch ein Paar waren. Als er noch dachte, dass das mit ihnen ewig so weiter gehen würde. In der Zeit, als er sich noch völlig sicher war, es würde ausreichen, dass er das so will. Als Anna ihm damals das Geschenk überreichte hatte, hatte er sich bis über beide Ohren gefreut. So sehr, dass er sogar kurz auf der Stelle auf- und abgehüpft ist. Wie kindisch er manchmal bei ihr werden konnte. Damals hatte Sebastian das teuere Ding als Sinnbild von Annas Zuneigung gesehen und wollte genau deshalb, dass der Kerzenständer in seiner Wohnung einen besonderen Platz bekommt. Seine Wahl fiel auf das Bücherregal. Dort konnte das schöne Objekt am besten zur Augenweide werden. Vom Sofa aus konnte er liegend gut seine Augen Richtung Bücherregal wandern lassen, um den Kerzenständer zu bewundern. Und eigentlich betrachtete er ab da nur noch ihn. Die anderen Gegenstände, die auch noch im Regal stehen, interessierten ihn dann nicht mehr. Er liebte das byzantinische Blau und das schöne Design mit den verschiedenen miteinander korrespondierenden geometrischen Formen. Ein Kreis, ein Oval, zwei Kreise, etwas Elliptisches und ein Zylinder. Es freute ihn, dass er so ein kostbares Mitbringsel wert war. Benutzen wollte er ihn aber nicht. Diesem Kerzenständer blieb es untersagt, seiner Bestimmung nachzukommen: Er durfte keine Kerze in sich spüren und keine an ihm herunterlaufenden heißen Wachstropfen. Sebastian wischt mit zwei Fingern Staub vom blau leuchtenden Glas. Seit der Trennung von Anna erträgt er es nicht den Kerzenständer anzusehen. Es ist zu schmerzhaft. Einmal stellte er sich vor, der Kerzenständer sei ein völlig neutraler Gegenstand, so, als käme er zum Beispiel aus dem Ausverkauf von einem insolvent gegangenem Kaufhaus. Aber es blieb bei dem Gedankenspiel. Sebastian streckt seine Hand aus, umfasst den Kerzenständer und zieht ihn aus dem Regal. Er schaut auf die leere Stelle und spürt die Kälte vom Glas auf seinen Fingerspitzen. Sebastian dreht sich zur Tür und macht sich mit dem Kerzenständer in der Hand auf den Weg zur Küche. Gleich wird er ihm entweder versehentlich aus der Hand rutschen, oder er landet, wenn er Glück hat, doch noch auf der Straße. Dort könnte ihn jemand mit nach Hause nehmen. Er bekäme noch eine Chance. Jemand anderes könnte zu ihm sagen: Du bist aber schön.