Ich # 10 (Obst öffnen…)

Ich # 10

Ich möchte in der Obstabteilung meines Haussupermarkts jedes Stück Obst aufschneiden. Jede Melone, jede Orange, jede Zitrone, jede Birne. Einfach alle Stücke in der Mitte entzweischneiden. Ich will den Sommer in der Großstadt riechen. Einen Sommer hinter verschlossenen Türen.

Wünsche # 7 (Johannes betrügt Mona…)

Wünsche # 7

Johannes öffnet die Wohnungstür. Er weiß bereits, wer vor der Tür stehen wird. Mona. Sie hatte ihn vor einer halben Stunde angerufen und gefragt, ob sie vorbei kommen könne. Johannes nimmt zuerst Monas Gesichtsausdruck wahr, wie aufgebracht sie aussieht, und sieht dann erst den Blumenstrauß, den sie ihm entgegenstreckt. Johannes bittet sie herein. Mona zieht gar nicht erst die Jacke aus, geht gleich in die Küche, setzt sich an den Tisch und sagt: »Ich halte das einfach nicht mehr aus, Oliver will mich jede Woche nur noch einmal sehen?« Mona hebt beide Hände hoch und fährt sich hektisch durch die Haare. Johannes stellt Mona ein Glas Leitungswasser hin und ein kleines Fläschchen mit Baldriantropfen. Mona träufelt sich gehorsam Baldriantropfen in ihr Glas und trinkt. Johannes geht zum Regal, greift nach der roten Vase, die Mona ihm einmal zum Geburtstag geschenkt hat und arragiert die Blumen in der Vase. Mona sagt: »Ich verstehe das einfach nicht! Ich dachte, er ist genauso verliebt wie ich!« Johannes gießt sich selbst auch Leitungswasser ein und öffnet dann noch eine Packung Cashewkerne mit getrockneten Cranberries. Mona seufzt und sagt: »Ich kann doch nicht zu einem Anwalt gehen, nur weil mir einmal die Woche nicht reicht? Und eine andere Idee habe ich nicht!« Johannes schüttet die Packung in eine kleine Holzschale und setzt sich zu Mona an den Tisch. Mona stampft mit dem Fuß auf den Boden und sagt: »Warum können meine Gefühle nicht einfach fließen, wenn ich sie schon einmal gefunden habe. Nachts kann ich deswegen schon nicht mehr schlafen. Außerdem stelle ich mir unentwegt Fragen, die von der übelsten Sorte.« Johannes nimmt einen Schluck Leitungswasser und sagt nichts. Mona beginnt zu weinen. »Ich hasse mich. Anscheinend bin nur ich wieder so bedürftig!« Johannes steht auf, zieht Papier von der Küchenrolle, reißt es ab und reicht es Mona. Mona schnäuzt sich und sagt: »Es kann doch nicht so schlimm sein, sich öfter als nur einmal die Woche zu sehen? Als wir uns kennengelernt haben ging das doch auch!« Johannes scheffelt sich Cashewkerne und Cranberries in die Hand. Mona sieht Johannes an: »Jetzt sag doch auch mal was! Du bist doch immer derjenige mit dem Überblick und dem Psychogespür.« Johannes kippt die Chashewkerne samt den Cranberries zurück in die Schale. Vor Monas Augen etwas zu verschlingen, was ihm so gut schmeckt, kommt ihm jetzt herzlos vor. Aus Monas Augen kullern erneut Tränen, groß wie Cranberries. Johannes schweigt immer noch. Mona tupft sich die Tränen mit dem Papier von der Küchenrolle ab. Johannes kennt Oliver nun auch schon eine Weile. Eine größere Verbundenheit spürt er aber mit Mona. Dennoch geht er auch mit Oliver ins Bett. Um genau zu sein, seit drei Wochen, zweimal pro Woche. Zum Glück.

 

Wünsche # 8 (Paar küsst sich…)

Wünsche # 8

Sebastian sieht auf dem S-Bahnbahnsteig ein Paar stehen. Sie küssen sich. Anna und er haben sich auch oft in der Öffentlichkeit geküsst. Sebastian überfällt eine Traurigkeit. Die Traurigkeit gehört zur Gattung der Sekundentraurigkeit. Das Paar küsst sich erneut. Sebastians Traurigkeit wechselt die Gattung, geht über in eine Minutentraurigkeit. Sebastian beschließt Weinrauben und ein halbes Kilo von dem teuren Parmigiano zu kaufen. Die Traurigkeit geht weg. Sie steht nicht auf Käse. Wohin oder zu wem sie geht, weiß Sebastian nicht. Nur, dass er zunimmt.