Du # 11 (Ich liebe es Listen zu führen, die vom letzten Monat…)

Du # 11

Ich liebe es Listen zu führen, die vom letzten Monat lautet:
– Wem ich was nicht verzeihe.
– Was ich glaube versäumt zu haben.
– Wen ich alles noch abbusseln möchte.
– Was aus mir nicht mehr werden wird.
– Welche Wahrheiten ich wem gegenüber nicht aussprechen werde.
– Wer alles nicht mehr in meine Wohnung darf.
– Was mir mein Herz wärmt.

 

Wünsche # 19 ( Marie fliegt, Interview mit Nina Hagen…)

Wünsche # 19

Marie sitzt im Flugzeug und liest Zeitung. Sie fliegt zu ihren Eltern. Ihr Vater hat Geburtstag. Neben ihr sitzt ein Mann. Marie findet, der Mann hat einen aparten grauen Bart, warme Augen und einen wachen Blick. Seit dem Start des Flugzeuges hat er Marie schon vier Mal angelächelt. Jetzt hält Marie die Zeitung etwas tiefer. Sie will nicht, dass der Mann denkt, sie sei verschlossen. Sie würde nicht nur Zeitung lesen, sondern sich auch noch von der Umgebung abschotten wollen. Marie will ansprechbar wirken. Das ist ihr wichtig. Der Mann lächelt Marie erneut an. Marie stellt sich vor, wie der Mann später einmal „Spatz“ zu ihr sagen wird. Aus einem Dokumentarfilm über Vögel weiß Marie, dass Spatzen in ihrer fruchtbaren Phase zwanzig Mal Sex haben. Pro Stunde. Marie gibt sich einen Schubs und lächelt zurück. Der Mann räuspert sich und sagt: »Verzeihen Sie bitte, dass ich Sie jetzt anspreche, aber auf der Rückseite ihrer Zeitung ist ein Interview mit Nina Hagen. Meine Tochter ist ein großer Fan von Frau Hagen, würde es Ihnen etwas ausmachen, mir die Seite zu überlassen, sobald Sie das Interview gelesen haben?«

 

Lebensentwürfe # 11 (Andrea und Lioba …)

Lebensentwürfe # 11

Vor drei Wochen hat Andrea von Lioba, ihrer Liebsten, ein Stellenangebot zugeschickt bekommen. Die Stelle wäre perfekt für Andrea. Sie könnte mit Jugendlichen zusammen arbeiten und hätte noch einen weiteren Tag in der Woche frei. Andrea möchte nicht mehr in dem Möbelhaus sitzen und Leute beraten. Seit Jahren arbeitet sie dort am Empfang und schafft den Absprung nicht. Andrea hat ein neues Passfoto machen lassen, Zeugnisse aus dem Ordner gekramt, die Bewerbung geschrieben und das Kuvert zur Post gebracht. Aber seit sie weiß, dass ihre Bewerbung in irgendeinem Büro auf irgendeinem Schreibtisch herum liegt, ganz real, so mit Schwerkraft und mit Atomen, die nicht vor ihrer Zeit auseinander fallen werden, fällt ihr das Einschlafen schwer. Oft liegt sie wach bis vier Uhr früh und stellt sich immer wieder den Ablauf des Bewerbungsgesprächs vor. »Warum haben Sie seit Ihrem Studium nicht als Pädagogin gearbeitet?« Das wird sie gefragt werden und darauf weiß sie keine Antwort. Der Abschluss ihres Studiums liegt zehn Jahre zurück. Was soll daran bedeutsam sein. Lioba sieht nun jeden morgen in ein blasses Gesicht und versucht Andrea aufzumuntern. Heute streichelt sie Andreas Haare und sagt: »Mein Schatz, Du bist loyal, zuverlässig, hast eine schnelle Auffassungsgabe und Humor. Da kann gar nichts schief gehen. Da bin ich mir sicher!« Andrea wischt das Gehörte mit einer Handbewegung weg, steht auf und geht unter die Dusche. Ohne Psychopharmaka werde ich das Bewerbungsgespräch nicht stemmen können, denkt Andrea. Aber Ärzte stellen Diagnosen. Und Andrea möchte keine haben. Sie befürchtet, die Diagnose könnte sich in ihrem Kopf festklammern. Für immer. Drogen sind einfacher zu bekommen als Psychopharmaka, denkt Andrea, und kein Dealer der Welt wird mich danach fragen, warum ich sie brauche. Höchstens wieviel und damit kann ich umgehen. Koks, denkt Andrea. Warum nicht! Koks klingt nach was. Aufregend. Abenteuerlich. Schokolade reicht nicht mehr. Wird Andrea das Gefühl der Stagnation zu mächtig, kauft sie sich Kakao Trüffel. Am liebsten die von der französischen Firma und dann gleich die fünfhundert Gramm Dose im Doppelpack. An schlimmen Tagen fährt sie dafür auch zweimal durch die Stadt, um ihre bevorzugte Marke zu bekommen. Zu Hause legt sie sich immer nur einen Trüffel auf die Zunge. Macht das aber so lange, bis die Dosen leer sind. Zusehen darf dabei niemand. Aber, denkt Andrea, mit Kakao Trüffel komme ich jetzt nicht weiter.

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Ich # 25 (Freier Tag, sechzehn Stunden nicht nutzen…)

Ich # 25

Heute ist mein freier Tag. Sechzehn Stunden stehen mir zur freien Verfügung. Aber ich nutze sie nicht. Und am Abend werde ich mich dann wieder fragen: Wieso eigentlich nicht.