Dreiundvierzigstes Set
Wünsche # 59 (My time…)
Und # 58 ( Zurückhaltung…)
Kultur # 73 (TMI= …)
Kultur # 73
TMI=
Tänzer Mustern Isomatten
Trikotträger Mauscheln Irgendetwas
Totales Meckern Intensivieren
Tabletten Mittags Ideal
Teilnahmslos Mitmenschen Ignorieren
Täglich Mut Improvisieren
Trostpflaster Misslingen Irgendwann
Talentiert Mäuse Irregeführt
Teetassen Mitnehmen Inspiriert
Türkisfarbene Möbelstücke Integrierbar
Tamaras Mitdenken Imponiert
Tobendes Meerwasser Idealisieren
Tiger Missfällt Innenstadt
Thomas Meidet Inga
Tarmara Murmelt Ida
Tulpen Mitschleppen Idiotisch
Tauber Mund Irritiert
Torsten Müsste Intervenieren
Alltag # 116 (Sebastian Schwämme..)
Alltag # 116
Die Schwämme, die Sebastian in seinem Haushalt benutzt, durchlaufen immer drei Stadien. Zuerst verwendet er sie nur in der Küche. Für den Abwasch, die Arbeitsoberflächen und den Küchentisch. Sobald sie anfangen zu riechen, sind sie für das Bad zuständig. Und wenn die harte Unterseite des Schaumstoffs dann anfängt zerfranst auszusehen, entsorgt er sie. Der Schwamm, den er jetzt in der Hand hält, ist schon in der zweiten Phase. Sebastian drückt Scheuermilch auf die Seite mit dem Hartvlies und beugt sich über das Waschbecken. Er wählt den größten eingetrockneten Zahnpasta Klecks und schrubbt mit den rauen Fasern über die kleine Erhebung. Nach ein paar Wischbewegungen beendet er den Vorgang. Die Anhaftung ist aufgelöst. Beim nächsten Minihaufen geht er wieder so vor. Greift mit dem Schwamm ein und löst die Verbindung auf. Über all diese Verbindungen weiß Sebastian so gut wie gar nichts. Außer, dass sie schon seit vielen Tagen existieren. Vielleicht, so fragt er sich, haben sich die Zahnpasta und die Keramik darüber gefreut, zueinander gefunden zu haben. Denn diese Kleckse wurden nicht in den Abfluss hineingetrieben, keiner von ihnen wurde hinuntergespült und so musste die allglatte Oberfläche des Waschbeckens, an der sonst alles abprallt, einmal nicht allein zurückbleiben. Vielleicht sind das alles glückliche Verbindungen, die er da gerade auflöst. Er weiß es nicht. Sebastian weiß nur, dass zwei Dinge zusammengefunden haben. Und dass alleine das schon ein Kunststück ist. Er drückt den Schwamm auf eine andere Stelle im Becken und stört den nächsten Zusammenhalt. Peu á peu verschwinden so alle Kleckse. Nach wenigen Minuten findet Sebastian keinen mehr. Um aber wirklich sicher zu sein, dass er nichts übersehen hat, inspiziert er das Becken noch einmal. Sein Blick gleitet langsam von oben nach unten und von links nach rechts. Zufrieden stellt er fest: Es gibt keine Unebenheiten mehr. Er drückt den Schwamm unter dem laufenden Wasser aus und wischt die Scheuermilchrückstände mit frischem Wasser von der Keramikoberfläche. Danach reibt er die Keramikoberfläche noch mit einem Tuch trocken und betrachtet das Ergebnis. Das Waschbecken ist strahlend weiß und makellos. Der neu eingetretene Glanz beglückt ihn. Es hebt seine Stimmung, wenn an einer Stelle etwas perfekt ist. Trotzdem wird er heute nicht mehr machen. Es liegt ihm fern, das ganze Bad zu putzen, so zu werden wie seine Mutter. Seine Mutter hat viel vom einwandfreien Erscheinungsbild der Oberflächen gehalten. Seine Mutter war auch Jahr ein Jahr aus für das Erscheinungsbild der Oberflächen zuständig. Sebastian konnte nie genau sagen, ob seine Mutter sich mit den schönen reinlichen Oberflächen über vieles nur hinwegtäuschen oder auch hinwegtrösten wollte.
Alltag # 117 (Notrausch…)
Alltag # 118 (in the jungle of my heart…)
Lebensentwürfe # 45 ( Die Zeit ist nicht begrenzt..)
Lebensentwürfe # 45
Eine Frau packt ihren Koffer und verlässt ihre Kinder. Sie versucht nicht daran zu denken, was sie davon halten. Ein Junge mag die Mütze auf seinem Kopf nicht und wirft sie in die Pfütze. Ein Mann steigt aus dem Bett. Er ist allein, nackt und denkt, er sollte die Bettwäsche wieder einmal waschen. Ein Spatz pickt einen großen Croissantbrösel vom Teller und bringt ihn fliegend in Sicherheit. Eine Bäckereifachverkäuferin legt das Wechselgeld auf den Tresen, wünscht dem Mann einen guten Tag und denkt, dass er ihn nicht verdient hat. Ein Schnucki sagt einem anderen Schnucki nicht alles. Eine Architektin meldet sich nicht mehr bei ihrer Schwester. Dass die Schwester nicht nachfragt wieso, ärgert sie ungemein. An einem Montag ist das Maß dessen, was man erträgt schon vor dem Aufstehen erreicht. Eine Frau sagt: »Ich will dich« und legt ihre Hand auf den Brustkorb eines Mannes. Ein Vater sagt zu seinem Kind: »Das verstehst du nicht!« Das Kind sagt: »Doch!«. Der Vater möchte aber immer noch nichts verständlich machen. Ein Mann dreht den Kopf weg, er will seinen Mann zur Begrüßung nicht ansehen. Für einen Augenkontakt bräuchte er das Gefühl, zugewandt zu sein, und das kann er gerade nicht aufbringen. Ein Sohn benutzt das Auto des Vaters und fährt es gegen einen Baum. Eine Rentnerin entleert ihre Blase auf dem Sessel. Sie hat vergessen, dass es dafür Toiletten gibt. Eine Geliebte sagt immer wieder, sie habe keine Zeit. Und die Zeit sagt nichts. Nichts davon kümmert sie. Sie hat kein Ende. Nur die Ereignisse haben eines. Sie sind begrenzt.
Abgehört # 48 (Künstlerin…)
Abgehört # 48
»Als Künstlerin bin ich froh, wenn ich ab und zu krank bin. Das bedeutet, ich kann Geld sparen!«
Abgehört # 49 (Bekker von Rath…)
Abgehört # 49
Hanna Bekker vom Rath: »Noch zwei gefährliche Dinge habe ich begonnen. Ich lerne Autofahren und rauche. Beides ist leichter und schöner als ich es mir dachte.«
(November 1932)
Lebensentwürfe # 46 ( Marie und die Tür…)
Lebensentwürfe # 46
Marie zieht die untere Schublade der Kommode auf. Sie sucht nach der Tragetasche aus Baumwolle. In der Schublade wäre alles übersichtlicher, wenn sie sich die Mühe machen würde, die Gebrauchsgegenstände ordentlich zu sortieren. Sie stopft aber lieber alles hinein. Das bereitet ihr Freude. Anpassungshaltungen einnehmen zu müssen, liegt ihr nicht. Sie hatte zu viele davon. Marie sieht Schals, Mützen, Regenschirme, aufsteckbare Vorder- und Rücklichter für das Fahrrad, einzelne Gummi-Expander und dann den schmalen Träger einer Baumwolltasche. Mit einer Hand zieht sie daran und mit der anderen passt sie auf, dass von der übervollen Schublade nichts auf den Boden fällt. Marie hat verschiedene Brotaufstriche gekauft und drei Packungen Schokoküsse. Diese Dinge will sie mit der Baumwolltasche transportieren. Sie befüllt den Beutel und stellt ihn schon einmal in den Flur. Heute gibt es ein rauschendes Fest. Da will sie hin. Den Termin hat sie schon vor einer Woche in ihren Kalender eingetragen. Sie mag das Gefühl, am Wochenende verplant zu sein. Vor einem Jahr war sie auch schon auf dem Fest. Matthias hat sich vor mehreren Jahren in einem kleinen Dorf ein Sommerhaus gekauft und veranstaltet seitdem jeden Sommer ein Fest. Marie hat die Eindrücke vom letzten Jahr noch vor Augen. Bunte Girlanden hangelten sich von Baum zu Baum. Margeriten und wilde Rosen blühten. Aufgeklappte Bierbänke und Holztische standen unter Apfelbäumen. Schwarze Plastikwannen waren im Schuppen und mit Eiswürfel, Bier- und Weinflaschen befüllt. Marie hatte sich wohlgefühlt. Das gelingt ihr nicht immer. Manchmal kann sie mit Festen nichts anfangen. Weder mit den Menschen, die dort herumstehen noch mit sich selbst. Marie greift nach einer dünnen Jacke und stopft sie ebenfalls in den Beutel. Vielleicht wird es auf dem Land doch kühler sein, als sie jetzt vermutet. Die Abfahrtzeit des Zuges hat sie im Kopf. Gleich nach dem Aufwachen hat sie sich eine passende Zeit ausgesucht. Sie geht ins Bad, putzt sich die Zähne, trägt Lippenstift auf und tupft sich davon auch noch etwas auf die Wangen. Sie freut sich schon auf Menschen, die dicht beieinander stehen werden, weil sie sich mögen und auf das Gefühl, nichts erfüllen zu müssen. Sich einfach dem Abend ergeben zu können. Den Gesprächen. Den kleinen Berührungen, die bei den Begrüßungen stattfinden. Marie schlüpft in die Schuhe, bindet sich die Schnürsenkel zu und sieht auf die Uhr. Sie hat immer noch genügend Zeit, bevor sie los muss. Sie wollte absichtlich so früh fertig sein. Das erhöht ihre Chancen durch die Tür zu kommen. Denn es kann passieren, dass sie vor der Tür stehenbleibt und nicht weiterkommt. Als Jugendliche kam sie oft nur bis zur Haustür. Denn ihre Mutter hatte die Hoheitsgewalt über den Schlüssel. Das hieß, die Haustür blieb zu, wenn ihre Mutter das so wollte. Und sie wollte das oft. Und dann war Maries Welt an der Haustür schon zu Ende. Dann gab es kein: in die große weite Welt hinein. Kein sommerliches Badengehen, kein Freundinnen besuchen gehen, kein Treffen in der Eisdiele. Das Gefühl nicht durch die Tür zu kommen, steckt ihr immer noch in den Knochen. Die Angst, ihre Welt könnte auch heute schon wieder an der Haustür zu Ende sein. Das Gefühl, sie müsse sich zurückhalten. Marie würgt ihre Gedanken ab und sagt sich, heute wird mir der Schritt durch die Tür ganz einfach vorkommen. So einfach, wie wenn man im Buch eine Seite umschlägt. Da überlegt man auch nicht groß, wie man das macht, man macht es einfach. Es läuft ganz automatisch ab. Nichts daran ist unangenehm aufgeladen. Und genauso wird es mir heute mit der Tür gehen. Heute werde ich einfach hingehen, sie öffnen und durchgehen. Das steht zumindest auf meiner Wunschliste ganz oben.