Kultur # 25 ( MRT = Mutter Rettet Tafelsilber )

 

Kultur # 25

MRT =
Mama Rettet Tafelbesteck
Meinetwegen Randaliert Tatkräftig
Manchmal Riechen Textilträger
Maria Rockt Tadellos
Mysteriöse Renate Trauert
Moral Ruht Theatralisch
Monster Röcheln Tapfer
Melancholischen Radartechniker Trösten
Mehrsprachige Regenbogenforellen Twittern
Maskuline Rollkragenpulloverträger Turteln
Moleküle Reden Tatsächlich
Martialische Retourkutsche Trifft

 

Und # 25 (Freude entsteht…)

Und # 25

Freude entsteht:
– wenn ich endlich wieder barfuss durch die Wohnung laufen kann.
– wenn ich im Schaufenster eine schöne Tasche sehe und meine Freundin sagt: Komm, ich zahl dir die Hälfte.
– wenn ich die fettige Pfanne gleich nach dem Essen abspüle.
– wenn Freunde zu mir sagen: Komm lass uns für einen Tag ans Meer fahren.
– wenn die Wollmütze, die mir C. geschenkt hat, endlich von Motten zerfressen wird.
– wenn ich mit der U-Bahn zu weit gefahren bin und beim Umsteigen dann nur auf die andere Seite des Bahnsteigs gehen muss.
– wenn ich höre, dass nun auch Frauen zu Männern »Fotze« sagen.

 

Wünsche # 22 ( Berufsbilder die zu mir passen…)

Wünsche # 22

Berufsbilder die zu mir passen:
Briefgeheimnisverletzerin. Ich will bei der Post angestellt sein und jeden Tag Briefe lesen, die nicht für mich bestimmt sind.
Entrieglerin. Immer wenn etwas nicht aufgeht, komme ich um es zu entsperren.
Baumhirtin. Ich möchte beim Städtischen Gartenbauamt angestellt sein und die Bäume, die weggehen wollen, mit erhobenen Händen an einem Ortswechsel hindern.
Neue Art von Prinzessin. Ein Dornröschen, das nicht geweckt werden will.
Bankautomat-Falsch-Programmiererin. Geld würde jederzeit ausgeworfen werden. Egal was mein Kontostand sagt.

 

Wünsche # 23 ( Schmeißfliegen Text)

Wünsche # 23

Marie hat sich auf dem Sofa ausgestreckt. Bequemlichkeit fördert das Denken. Hinter ihrem Kopf liegt ein flauschiges Kissen, auf ihrem Schoß der aufgeklappte Laptop. Sie ist dabei, einen Text zu verbessern. Einige Sätze sind noch zu lang. Einige Stellen noch nicht präzise genug. Sie überlegt, wie sie den nächsten Satz kürzer formulieren kann und wird dabei gestört. Eine Fliege braust mit lautem Gesumm durch den Raum. Marie dreht den Kopf vom Bildschirm weg und entdeckt den aufgepumpten haarigen Körper einer Schmeißfliege. Er glitzert in grünen und blauen Tönen wie die Oberfläche einer Ölpfütze. Marie seufzt. Das mit der kosmischen Stille ist jetzt vorbei. Der metallisch glänzende Brummer macht Radau, lebt seine punkige Seite aus. Marie ist sich sicher, dass die Fliege in den nächsten Tagen in dem heizungswarmen Zimmer austrocknen wird, beschließt aber ihr Leben jetzt schon zu beenden. Sie schwingt die Beine vom Sofa und weiß, dass das ein ungerechter Kampf sein wird. Gleich wird sie die Fliege aus ihrem Leben werfen. Die Fliege hat diese Möglichkeit nicht. Die Machtverhältnisse sind auch hier ungerecht verteilt. Die Fliege wird nicht viel gegen Maries Plan unternehmen können. Sie kann nur eine zeitlang vor ihr fliehen und falls sie das möchte, auf ihren Schreibtisch kacken. Marie schlüpft in ihre Hausschuhe, sie ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Ein komisches Gefühl, eine so starke Überlegenheit zu spüren. Sie wird die Fliege möglichst schmerzfrei töten. Sie einfach mit einem Wumms zerquetschen. Sie wird keine Schuldgefühle haben. Das Prozedere wird ihr harmlos vorkommen. Schließlich bringt sie damit nicht die ganze Art zum Aussterben. Auch danach wird es noch Fliegen geben. Marie greift nach der auf dem Boden liegenden Tageszeitung und faltet sie zu einer Fliegenklatsche. Der Brummer dreht weiter seine Runden. Marie verfolgt die Flugbahnen. Auf sie machen sie einen chaotischen Eindruck. Aber wer weiß, denkt Marie, vielleicht steckt hinter dem Kreuz- und Querfliegen auch ein Plan. Marie verliert ihn aus den Augen und entdeckt ihn kurz darauf auf der Raufasertapete. Sie nähert sich ihm, holt mit der Zeitung aus, der Brummer fliegt davon und landet auf dem Schreibtisch. Marie nimmt das auf dem Boden stehende Glas in die Hand, nähert sich dem Tisch und stülpt es blitzartig über das Insekt. Es fliegt auf, stößt gegen die Glaswand, taumelt, fliegt erneut mit Wucht dagegen, prallt wieder ab und gibt dann immer noch nicht auf. Dieses Durchhaltevermögen beeindruckt Marie. Sie glaubt, sie selbst würde in Gefangenschaft schneller aufgeben. Vielleicht, denkt Marie, hat die Fliege noch etwas Dringendes zu erledigen. Eine Angelegenheit, von der ich nichts weiß. Auch Fliegen könnten Aufgaben zu erledigen haben. Sie weiß einfach nicht viel über Fliegen. Marie schiebt eine Postkarte unter das Glas und trägt es in die Küche. Dort angekommen, lässt sie die Fliege wieder frei. Auf dem Frühstücksteller gibt es noch etwas Käse und Apfelschalen. Bestimmt kann sie jetzt eine Kräftigung brauchen. Nach dieser Strapaze. Die Fliege, denkt Marie, ist jetzt einfach mein unangemeldet hereingeschneiter Gast. Den tötet man nicht einfach.

 

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