Kategorie: Dreiundzwanzigstes Set
Blitzlicht # 29 (Wenn ich Ich denke…)
Abgehört # 21 (Von Paris nach München Privatjet…)
Abgehört # 21
»In Deutschland war ich nur ein einziges Mal, und zwar in München. Das war vor vier oder fünf Jahren. Ich bin mit meinem Privatjet hingeflogen, nur um dort ein Fussballspiel zu sehen. Danach bin ich gleich wieder nach Paris zurück. Wissen Sie, ich liebe das Leben.«
Blitzlicht # 30 (Männer und ihr Wissen…)
Blitzlicht # 30
Ich mag es nicht, wenn Männer sich neben mich setzen und ungefragt mit ihrem Wissen vor meiner Nase herum jonglieren. Dann versuche ich sie mit ein paar Worten zu irritieren. Ihr Wissen soll auf den Boden krachen und vollständig zerschellen. Ich will sehen, was dann noch von ihnen übrig bleibt!
Alltag # 62 ( Getriebenheit allles zu essen…)
Alltag # 62
Diese Getriebenheit, alles was auf dem Tisch steht aufzuessen. In mir aufzunehmen. Diesen Dingen ein Zuhause zu geben. Ihnen bei mir Unterkunft zu gewähren. Und zu denken: Ich belohne mich dafür, dass ich mich aushalte.
Alltag # 63 (Berührungen nicht machen und aber denken..)
Alltag # 63
Heute: Sich Berührungen aufzählen, die man nie gemacht hat aber an die man viel gedacht hat.
Kultur # 45 (LED = … )
Kultur # 45
LED=
Langbeinige Eiskunstläuferinnen Duschen
Lautlose Entgleisungen Deprimieren
Lebhafte Einbildungen Drosseln
Lachhafte Ehrfrucht Durchschauen
Langersehnte Erquickung Danebengeht
Läppische Erwartungen Diskutieren
Leckere Eierlikörtorte Dritteln
Lebenslang Eisbergsalat Denken
Lästiger Eintönigkeit Drohen
Blitzlicht # 31 (Stoffbeutel Bier und Chips…)
Blitzlicht # 31
Wird Sebastian aufgefordert, etwas zu essen und zu trinken mitzubringen, greift er nach seinem Stoffbeutel und befüllt ihn mit sechs Flaschen Bier und zwei Tüten Chips. Das ist immer eine Lösung.
Blitzlicht # 32 (Der erste Teil meines Lebens…Wiederholung)
Blitzlicht # 32
Der erste Teil von Joanas Lebens ist schon vorbei. Der zweite Teil ist vielleicht nur die Wiederholung des ersten. Dann hat sie genau noch sechsmal Sex mit fünf verschiedenen Männern und mit einer Frau.
Kultur # 46 (Visitenkarten … )
Kultur # 46
Über die Jahre haben sich bei Marie viele Visitenkarten angesammelt. Die meisten davon wurden ihr ungefragt in die Hand gedrückt. Findet Marie sie interessant, verstaut sie sie in ihrem Geldbeutel. Leert sie zu Hause ihr Portemonnaie aus, weil es zu dick geworden ist, nimmt sie auch die Visitenkarten heraus und trägt sie zu den anderen Visitenkarten, die sich in ihrem Arbeitszimmer befinden. Meistens wirft sie dabei noch einen Blick auf die Karten, erinnert sich an die Übergabesituationen und denkt: Es ist gut, dass ich diese Kontakte habe. Jetzt kann ich mich melden, wie schön. Dann öffnet sie die Schublade und das kleinste Päckchen bekommt die neuen Visitenkarten zugesteckt. Bei Marie liegen inzwischen drei Päckchen Visitenkarten. Sie werden nach keinem Schema geordnet. Nur mit einem Haushaltsgummi zusammengehalten. Und in der Schublade bleiben sie dann liegen. Sie werden nicht weggeworfen. Manchmal kommt es vor, dass Marie nach ein paar Jahren, eines der Päckchen aus der Schublade nimmt, den Haushaltsgummi abzieht und sich die Kärtchen ansieht. Dann liest sie die Telefonnummern, die Vor- und Nachnamen, die E-Mail Adressen, die Städtenamen, die Strassennamen und ihr fällt nichts dazu ein. Keine Situation. Keine Person. Kein Jahr. Kein Umstand. Nichts aus ihrer Vergangenheit passt zu einer von diesen Karten und das erschreckt sie. Hat der Schreck nachgelassen, zieht sie den Gummi wieder über das Päckchen und fragt sich, ob das Bedürfnis noch einmal auftauchen wird, sich diese Menschen wieder näher zu bringen.
Wünsche # 36 (Sebastian und das Geschenk …)
Wünsche # 36
Sebastian sitzt auf dem Sofa und versucht vergebens, sich über nichts mehr Gedanken zu machen. Vor allem nicht mehr über das, was er gerade zu Anna am Telefon gesagt hat. Sebastian gießt sich Rotwein ein, trinkt das halb gefüllte Glas zügig aus und wirft sich gegen das Rückenpolster seines Sofas. Er ist fassungslos. Der Schreck hat sich noch nicht wieder gelegt. Er kann immer noch nicht verstehen, wieso er gerade ja gesagt hat. Ja, ich komme mit. Ja, wir können zusammen hinfliegen. Ja, du kannst die Flüge für uns beide buchen. Ja, ich kann aus dem Wochenende ein langes Wochenende machen. In Sebastians Körper macht sich Wut breit. Er kann sie bis in seine Fingerkuppen spüren. Sie fühlen sich heiß an. Sebastian greift nach dem Buch, in dem er vor Annas Anruf gelesen hat und schleudert es auf den Boden. Das beruhigt ihn nicht. Drei Stunden mit Anna, denkt Sebastian, das geht. Vier Stunden gehen auch. Und von mir aus auch einmal im Jahr ein Tagesausflug. Aber drei Tage hintereinander, das fühlt sich so an, als wäre ich gerade strafversetzt worden. Er greift nach der Rotweinflasche. Und jetzt fällt ihm auch noch das Geburtstagsgeschenk ein, das Anna ihm vor einem Jahr gebracht hat. Annas Augen hatten schon vor der Übergabe gestrahlt, so sicher war sie sich, dass sie mit diesem Geschenk Sebastians Geschmack treffen würde. Und sie hatte ihn getroffen. Die Designertasche, die man auch als Rucksack verwenden kann, war ganz nach seinem Geschmack. Hot shit eben. Ein Volltreffer. Schon als er das Geschenk aus dem Seidenpapier heraus blitzen sah, hatte er versucht, seine Freude darüber zu verbergen. Es gelang ihm aber nicht. Und das hatte ihn geärgert. Er gönnte Anna diese Genugtuung nicht. Am liebsten hätte er zu ihr gesagt, sie solle die teure Tasche wieder mitnehmen, denn so etwas Wertvolles dürften ihm nur nahestehende Menschen schenken. Und Anna rechnete er nicht mehr dazu. Auch passte es ihm nicht, dass Anna jedem erzählt hatte, wie gut sie mit der Tasche seinen Geschmack getroffen hat. Alle wussten Bescheid. Sogar sein Bruder. Was sollte das, wollte sie damit eine neue Nähe suggerieren? Sebastian verscheucht den Gedanken. Er hebt das Buch von Eva Illouz vom Boden auf, biegt die eingeknickten Ecken wieder gerade und legt es auf den Sofatisch. Sein Magen streikt. Er hat den Rotwein zu schnell hinunter gestürzt. Der Schließmuskel seines Magens hat sich geöffnet und jetzt schwappt Magensäure in die Speiseröhre. Eklig ist das, denkt Sebastian, und Annas Großzügigkeit ist es auch. Erst die Designertasche und jetzt auch noch Flüge. Ihre Art zu geben ist eine Belästigung. Sebastian starrt den Titel des Buches an: „Das Glücksdiktat“. Er nimmt das Telefon in die Hand und sucht nach Annas Nummer. Er zögert: Ausgerechnet Venedig. Ich liebe Venedig. Und dann noch die Biennale. Ich liebe die Biennale. Und Anna. Und Anna?
Alltag # 64 (Eine Ankunft ist..)
Alltag # 64
Eine Ankunft ist immer auch keine Ankunft. Eine Liebe ist immer auch keine Liebe. Ein Leben ist immer auch kein Leben.