Kultur # 76 (SOS …)

 

Kultur # 76

 

SOS =
Sabine Observiert Selten
Stubenhockerin Optimiert Sofaliegefläche
Salzigen Obatzten Schönreden
Samtene Ohrenschützer Stinken
Sandalenträger Obduziert Schokopraline
Samstags Oft Selbstbewusster
Schicha Onkel Schläft 
Saftige Ohrfeige Schiefgeht
Sagenumwobenen Odysseus Schnitzen
Schlagzeuger Organisiert Spargelessen
Schadstofffreie Oasen Sichern
Schamlose Offenheit Stoppen
Sahne Offeriert Sorgenfreiheit
Schicksalhafte Offenbarungen Stornieren
Schelmisch Ofenküchlein Stibitzen
Sowieso Olaf Stimulieren

 

 

Alltag # 123 (Sebastian TAnkstelle …)

Alltag # 121

Es ist Samstagabend. Sebastian möchte etwas essen, hat aber nichts zu Hause. Seine Vorräte sind aufgebraucht und den Wochenendeinkauf hat er noch nicht gemacht. Zum Supermarkt braucht er elf Minuten. Mit leerem Magen Lebensmittel einzukaufen, ist nicht ratsam. Wegen der vielen Produktangebote und dem gesteigerten Appetit kauft er dann zu viel. So viel, dass er es nicht vor dem Verfallsdatum aufessen kann. Außerdem sind an Samstagen die Schlangen an den Kassen besonders lang und er braucht jetzt schnell etwas zwischen die Kiemen. Zur Tankstelle sind es drei Minuten und dort gibt es keine langen Schlangen. Das ist die Lösung. Sebastian schlüpft in seine Schuhe und lässt die Jacke hängen. Für die kurze Strecke verzichtet er darauf sie mitzunehmen. Die Schiebetür der Tankstelle geht automatisch auf. Sebastian betritt mit einem Stoffbeutel den kühlen Minishop und beschließt, sich eine Brezel, eine Packung Butter und Eier zu kaufen. Vorne an der Theke stellt er fest, dass die Brezeln ausverkauft sind und entscheidet sich um. Er holt sich eine Tiefkühlpizza, bezahlt mit Karte und läuft zurück zur Wohnung. Die samstäglichen Eindrücke in seiner Straße deprimieren ihn. Die verkehrsberuhigte Zone. Die stillen Autos im Parkmodus. Der geschlossene Kindergarten. Die zugezogenen Vorhänge. Das Fehlen von Passanten. Er sperrt seine Wohnungstür auf und nimmt sich vor, gleich Marie anzurufen. Es wäre gut, heute noch etwas zu erleben. Sebastian schaltet den Backofen ein, holt die Pizza aus dem Karton, legt sie in den Ofen, wirft den Karton zum Altpapier, greift nach dem Telefon und zögert. Marie ist für kurzfristige Vorschläge meistens nicht zu haben. Sie plant den Ablauf ihres Wochenendes schon im Voraus. Sebastian überlegt, wie er damit umgehen wird, wenn sie keine Zeit hat. Wird ihm das die Laune verderben? Er fragt sich, wer von seinen Freunden noch nichts vorhaben könnte und nach wie vielen Telefonaten er dann aufgibt. Sebastian stöhnt, weil es durchaus sein könnte, dass alle schon etwas vorhaben, nur er eben nicht. Ihm fällt ein, dass er das auch schon erlebt hat, dass so kurzfristig gar niemand Zeit hatte. Und das möchte er jetzt lieber doch nicht wissen. Sebastian schaltet den Ofen aus. Er will jetzt auch keine Pizza mehr. Er schiebt das noch nicht vollständig aufgetaute Stück zurück in den Karton und bunkert es im Gefrierfach seines Kleinkühlschranks. Er geht zum Regal, gießt sich Schnaps ein und trinkt. Heute, denkt er sich, werde ich nicht herausfinden, wie meine Chancen stehen. Heute ist ein Tag, an dem ich nicht hören möchte, wie beschäftigt alle sind. Sebastian gießt sich noch einen Schnaps ein. Er weiß, bis zum Bett wird er es heute auf alle Fälle noch schaffen.

 

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Alltag # 124 (Marie Supermarkt Bettlerin…)

Alltag # 124

Marie läuft entspannt die Treppen im Hausflur hinunter. Sie braucht Brot, Butter, Schnittlauch und Crémant. In einer Stunde kommt eine Freundin vorbei. Das freut sie. Vier Supermärkte stehen ihr zur Auswahl. Sie mag leere Supermärkte und entscheidet sich für den teuersten, der ist am wenigsten frequentiert. Sie läuft über einen Kinderspielplatz und hört wie ein Vater seine Tochter ermutigt, weiter auf dem Seil zu balancieren. Die Tochter lässt sich aber lieber in den Sand fallen und bewirft den Vater damit. Marie biegt um eine Ecke und ist fast da. Der Eingang des Supermarkts ist schon zu sehen und noch jemand. Die Frau. Marie vergisst immer, dass es sie gibt. Jedes Mal ist sie aufs Neue überrascht. Dabei kennt sie sie schon lange. Die Frau sitzt neben dem Eingang auf den kalten Steinplatten, den bodenlangen Rock mit folkloristischem Muster unter die Beine geschlagen. Ein paarmal hat Marie ihr schon ihr ganzes Kleingeld gegeben, was sie bereut. Das Geben selbst ist ihr leicht gefallen. Marie möchte kein Kleingeld haben. Ihre Börse ist so klein, dass es zwischen dem Stoff und den Geld- und Ausweiskarten nie genug Platz für ihre Finger gibt. Sie können sich darin nicht so drehen und wenden, wie sie das gerne hätte. Aber dieser Frau will sie jetzt überhaupt nichts mehr geben. Früher hat sie sie still angelächelt. Aber seit sie ihr das Münzgeld vermacht, sagt die Frau immer: »Guten Tag, wie gehts?« Es ist offensichtlich, dass es Marie besser geht als der Frau. Aber ihr zu sagen: »Besser als Ihnen!«, bringt sie nicht über die Lippen. Sie wünscht sich, der Supermarkt hätte noch einen weiteren Eingang. Oder ein gekipptes Fenster, durch das sie, von der Frau unbemerkt, einsteigen könnte. Es kommt ihr unmenschlich vor, gar nicht auf die Frage zu antworten oder so zu tun, als hätte sie sie nicht gehört. Marie ist vor dem Eingang angekommen und zieht ihre linke Schulter hoch, so, als wäre das ein anerkannter Code als Schutzschild gegen Worte. Die Frau sagt: »Ein Brot, bitte. Bitte!« In ihrer Stimme liegt Verzweiflung. Marie bleibt stehen und nickt der Frau zu. Jemanden ein Grundnahrungsmittel zu verwehren, schafft sie nicht. Am Backshop bestellt sie zwei Ciabattas mit Oliven. Eines für sich und eines für die Frau. Nachdem sie noch die Butter, den Crémant und den Schnittlauch besorgt hat, verlässt sie den Supermarkt und überreicht der Frau die Papiertüte mit dem langen Brot. Dass sie dabei auf sie hinuntersehen muss, ist ihr unangenehm. Die Frau will die Papiertüte mit dem Brot nicht annehmen. Marie ist verdutzt. »Ein klein Brot«, sagt sie, und formt mit ihren Händen die Größe. Ein Brötchen. Marie versteht nicht, warum ein mehr an Brot schlechter ist als ein weniger an Brot und hält ihr nochmals die Tüte hin. Die Frau schüttelt wieder den Kopf. Marie macht Anstalten zu gehen. Da greift die Frau nach der Papiertüte. Widerwillig, das kann Marie an ihren Gesichtszügen ablesen. Marie ist damit nicht einverstanden und lässt die Tüte nicht mehr aus der Hand bis die Frau sie loslässt. Marie öffnet die Geldbörse und schüttet Münzen auf den Handteller der Frau. Die Frau bedankt sich. Marie fragt sich, ob sie sich gerade hat manipulieren lassen und beschließt in Zukunft zu einem von den anderen drei Supermärkten zu gehen.

 

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