Lebensentwürfe # 15
S. sagt: Den Gedanken, dass alles wieder gut wird, musst du ersticken.
S. sagt: Den Gedanken, dass alles wieder gut wird, musst du ersticken.
Ich stelle fest, dass er in manchen Bereichen überhaupt nicht geizig ist. Heute hat er das ununterbrochene Essen äußerst großzügig zugelassen.
Manche machen bestimmt nur deshalb etwas aus ihrem Leben, um anderen damit die Laune zu verderben.
Ich will dich überleben. Und zwar so schnell wie möglich.
Vor sechs Wochen hat Andrea ein Stellenangebot entdeckt. Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen, dass sie nie etwas unternimmt, um in ihrem gelernten Beruf zu arbeiten, hat sie neue Passfotos machen lassen, Zeugnisse aus dem Ordner gekramt, die Bewerbung geschrieben und das Kuvert zur Post gebracht. Sie hat nicht damit gerechnet, dass sie eingeladen wird. Aber seit sie weiß, dass sie bald in irgendeinem Büro ein Bewerbungsgespräch führen muss, fällt ihr das Einschlafen schwer. Nun liegt sie oft wach und stellt sich immer wieder den Ablauf des Bewerbungsgesprächs vor und vor allem die Frage: »Warum haben Sie seit Ihrem Studium noch nicht in ihrem Beruf gearbeitet?« Das wird sie gefragt werden und darauf hat sie keine interessant klingende Antwort. Der Abschluss ihres Studiums liegt bereits zehn Jahre zurück. Und was könnte sie dazu schon bedeutsames sagen. Sie hat in der Zeit noch nicht einaml Kinder großgezogen oder eine ausgedehnte Weltreise unternommen. Nun sieht sie jeden Morgen in ein blasses Gesicht und sagt sich aufmunternd: Du bist loyal, zuverlässig, hast eine schnelle Auffassungsgabe und Humor. Da kann doch gar nichts schief gehen. Aber sobald sie diese Sätze ausgesprochen hat, wischt sie das Gehörte mit einer Handbewegung weg, geht unter die Dusche und denkt an Psychopharmaka. Mit ihnen ließe sich vieles besser stemmen. Aber Ärzte brauchen Diagnosen und sie möchte keine hören. Sie befürchtet, die Diagnose könnte sich in ihrem Kopf festklammern. Für immer. Drogen zu besorgen ist da schon einfacher. Kein Dealer der Welt würde sie nach ihrem Gemütszustand befragen oder wissen wollen, warum sie Drogen braucht. Sie wird die Angst nicht los, für nichts geeignet zu sein. Und sie mag es nicht, wenn dieses Gefühl vorhat sich in ihrem Körper einzuquatieren. Also braucht sie möglichst schnell Schokotrüffel. Sie werden ihr durch den Tag helfen. Sie wird sich die fünfhundert Gramm Dose kaufen. Sie wird gleich quer durch die Stadt fahren, um sich die von der französischen Firma kaufen zu können. Die beruhigen sie am meisten. Andere beruhigt es, wenn sie Tiere streicheln können, wieder andere wenn sie Sex haben, und sie beruhigt es, wenn sie spüren kann, wie auf ihrer Zunge französiche Schokotrüffel zergehen. Wie ihre Körperwärme etwas zum Schmelzen bringt. Ihre Zunge bringt das ganz von alleine zustande. Legt sie sich einen Schokotrüffel in den Mund, muss der Trüffel wegen ihr, seine Form verlieren. Kann er wegen ihr, nicht mehr das bleiben, was er war. Gerne wäre sie auch noch an anderen Stellen jemand, der andere einfach so zum Schmelzen bringt.
Zwei Gewöhner haben geheiratet.
Im Supermarkt sehe ich, wie ein Mann einer Frau das Kopftuch herunter reißt. Schade, dass es viel anstrengender sein wird, ihm die Krawatte abzuziehen.
Tobias schreit seine Tochter an. Er findet, er hat auch ein bisschen ein Recht dazu. Denn es ärgert ihn, dass seine Tochter nie weint, wenn er einmal für ein paar Tage weg muss. Sie weint aber immer, wenn seine Frau einmal für ein paar Tage weg muss. So wie heute.
Robert würde seine Frau nie verlassen. Und weil er da ganz sicher ist, erlaubt er sich, sie zu betrügen.
Heute ist es wieder nicht so, wie es auch sein könnte und bei anderen schon ist.
Gleich nachdem sie gestorben war, konnte Sebastian das Gesicht seiner Mutter streicheln. Als sie wochenlang schwer krank im Bett lag, hatte er das Gleiche vor, umsetzen konnte er es jedoch nicht.
Oliver und Mona trinken beide Grog. Beiden ist kalt. Beide stellen fest: Küssen wärmt sie schneller.