Lebensentwürfe # 29
Die Therapeutin wendet ihren Blick von Sebastian ab, sieht auf die Uhr und sagt: »Die Stunde ist in ein paar Minuten schon wieder zu Ende, davor möchte ich aber noch eine Übung mit Ihnen machen, bitte legen Sie sich auf das Sofa!« Sebastian nickt. Er sitzt auf einem quadratischen Polster, das auf dem Boden liegt. Er stützt sich mit den Händen seitlich auf dem Boden ab, steht auf und geht Richtung Sofa. Er will der Aufforderung seiner Therapeutin nachkommen. Das Sofa steht an der Wand neben der Tür. Kurz davor bleibt er stehen und zupft seinen Hosenbund zurecht. Die Hose war ihm beim Aufstehen etwas nach unten gerutscht. Dann legt er sich auf den Rücken und seine Arme seitlich neben den Körper. Er wartet. Seine Therapeutin schweigt. Das wundert ihn. Er schweigt auch. Nach einer Minute sagt sie, er habe überhaupt nicht nachgefragt, worum es bei der Übung gehe. Er liefere sich ihr einfach aus. Auch Sebastian fällt jetzt auf, dass er sich sofort ergeben hat, so, als sei es einfach seine Pflicht zu gehorchen. »Warum«, sagt seine Therapeutin, »fragen Sie nicht nach, um sich abzusichern?« Sebastian kann ihr das nicht beantworten, aber er kennt das Gefühl. Das Gefühl etwas befolgen zu müssen, egal wie schlimm es dann für ihn ausgehen könnte. Die Therapeutin sagt: »Sie haben sich wie ein Schlachtpferd verhalten. Wie fühlen Sie sich denn jetzt?« Sebastian sagt: »Ich liege angespannt da und versuche mich zu entspannen.« Die Therapeutin antwortet: »Sie brauchen sich nicht zu entspannen. Nehmen Sie nur wahr, dass Sie angespannt daliegen, in Erwartung dessen, was nun auf Sie zukommt. Denn Sie wissen ja immer noch nicht, was gleich auf Sie zukommen wird.« Sebastian spürt eine Erleichterung. Er darf angespannt bleiben. Zumindest das gelingt ihm gut.