Kultur # 52(KGB =)

 

Kultur # 52

KGB = 
Knallenge Gymnastikhosen Belächeln
Kleines Gähnen Bekämpfen 
Käsigen Grafikdesigner Bewerten
Kostspieliges Goldkettchen Befummeln
Kitschige Gardinen Billigen 
Knuddelige Giesela Beschmusen
Kalorienreichen Gugelhupf Begehren
Kluge Germanistinnen Berühren
Kleinkariertes Gartenfest Betrübt
Klitschige Gummimatten Beriechen
Krummer Gabel Beistehen
Konservative Gehirne Behandeln

 

 

 

Blitzlicht # 44 (Tonarbeit fällt von der Wand…)

Blitzlicht # 44

Gestern ist in der Galerie Joanas Tonarbeit zu Bruch gegangen. Der Galerist meinte, das sei während des Aufbaus passiert. Das liege wohl an der Vorrichtung, die sie angebracht hätte. Joana fand das komisch, denn bei ihr im Atelier hat die Aufhängevorrichtung gehalten. Weil in zwei Tagen schon die Eröffnung ist, ist sie schnell zur Galerie geradelt. Als sie ankam, telefonierte der Galerist gerade und gab ihr zu verstehen, dass sie warten solle. Joana wartete zwanzig Minuten. Dann bat er sie ins Büro. Joana fragte nach, ob die Versicherung den Schaden übernehmen würde. Er lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und sagte, er möchte sie eins gerne wissen lassen: Es gäbe zwei Sorten Künstlerinnen, die coolen und die uncoolen. Die uncoolen würden immer einen Terz machen, die würden immer gleich nach der Versicherung schreien und andere beschuldigen, etwas falsch gemacht zu haben. Aber die coolen, die würden sofort verstehen, dass auch mal etwas schief gehen kann und würden die Chance, dass sie ausgestellt werden, nutzen. Die wollen nicht, dass ihre Arbeiten im Atelier verrotten. Und dann meinte er noch, dass er aus Erfahrung wisse, dass aus den uncoolen nie etwas werden würde, aber aus den coolen schon. Denn die coolen seien diejenigen, die schnell etwas Neues machen würden und das Werk dann noch rechtzeitig vor der Eröffnung selbst in die Galerie bringen würden.

 

 

Lebensentwürfe # 29 (Die Therapeutin, warum sagen Sie nichts …)

Lebensentwürfe # 29

Die Therapeutin wendet ihren Blick von Sebastian ab, sieht auf die Uhr und sagt: »Die Stunde ist in ein paar Minuten schon wieder zu Ende, davor möchte ich aber noch eine Übung mit Ihnen machen, bitte legen Sie sich auf das Sofa!« Sebastian nickt. Er sitzt auf einem quadratischen Polster, das auf dem Boden liegt. Er stützt sich mit den Händen seitlich auf dem Boden ab, steht auf und geht Richtung Sofa. Er will der Aufforderung seiner Therapeutin nachkommen. Das Sofa steht an der Wand neben der Tür. Kurz davor bleibt er stehen und zupft seinen Hosenbund zurecht. Die Hose war ihm beim Aufstehen etwas nach unten gerutscht. Dann legt er sich auf den Rücken und seine Arme seitlich neben den Körper. Er wartet. Seine Therapeutin schweigt. Das wundert ihn. Er schweigt auch. Nach einer Minute sagt sie, er habe überhaupt nicht nachgefragt, worum es bei der Übung gehe. Er liefere sich ihr einfach aus. Auch Sebastian fällt jetzt auf, dass er sich sofort ergeben hat, so, als sei es einfach seine Pflicht zu gehorchen. »Warum«, sagt seine Therapeutin, »fragen Sie nicht nach, um sich abzusichern?« Sebastian kann ihr das nicht beantworten, aber er kennt das Gefühl. Das Gefühl etwas befolgen zu müssen, egal wie schlimm es dann für ihn ausgehen könnte. Die Therapeutin sagt: »Sie haben sich wie ein Schlachtpferd verhalten. Wie fühlen Sie sich denn jetzt?« Sebastian sagt: »Ich liege angespannt da und versuche mich zu entspannen.« Die Therapeutin antwortet: »Sie brauchen sich nicht zu entspannen. Nehmen Sie nur wahr, dass Sie angespannt daliegen, in Erwartung dessen, was nun auf Sie zukommt. Denn Sie wissen ja immer noch nicht, was gleich auf Sie zukommen wird.« Sebastian spürt eine Erleichterung. Er darf angespannt bleiben. Zumindest das gelingt ihm gut.

 

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Alltag # 81 (Ersatzbushaltestelle..)

Alltag # 81

Alle verlassen die S-Bahn. Auch Marie. Es ist Schienenersatzverkehr. Einmal mehr kann Marie nicht ohne Unterbrechung zu ihrer Verabredung fahren und wird deshalb (wieder einmal) nicht pünktlich sein. Marie läuft auf das Klappschild zu, das in der Nähe des Ausgangs steht und betrachtet die Zeichnung, die eine Umgebungskarte darstellen soll. Die Ersatzhaltestelle wurde mit einem roten Kreuz markiert. Marie blickt nicht durch, entdeckt aber auf den Boden geklebte Fußsohlen aus Plastikfolie. Marie schätzt Schuhgröße achtundvierzig. Sie folgt den ausgelegten Spuren und verläuft sich trotzdem. Sie bittet einen Mitmenschen um Hilfe. Die Frau mit einem nicht nachahmungswürdigen Kleidungsstil entpuppt sich als erstaunlich zugewandt und darüber hinaus auch noch gut informiert. Woher nimmt diese Frau bloß diese Herzlichkeit, fragt sich Marie. In dieser Stadt ist die doch schon längst ausgestorben. Zieht sie sich selbst immer wieder neue Freundlichkeitspflänzchen hoch. Marie versteht auf Anhieb, was die Frau ihr erklärt. Aber sie möchte sich gerne noch etwas länger in der Nähe dieser Frau aufhalten. Diese Frau stimmt sie plötzlich so zufrieden mit sich und der Welt. So sehr, dass sie den Drang verspürt, der Frau auf der Stelle etwas schenken zu wollen. Geld ist nicht angebracht. Bonbons wohl auch nicht. Marie möchte nicht, dass die Frau sich wie ein Tier im Zoo vorkommt, dem man auf dem flachen Handteller ein paar Erdnüsse hinhält, oder ein Büschel Heu. Marie hat aber sowieso nichts Süßes in ihrer Tasche. Sie hat nur einen gebrauchten Lippenstift und eine angebrochene Packung Taschentücher und natürlich ihren Wohnungsschlüssel. Soll sie der Frau etwa ihren Schlüssel vor die Nase halten und dann sagen: mein Haus ist auch dein Haus. Die Frau lächelt Marie zu und verabschiedet sich von ihr. Marie bedauert das sehr. Deshalb bedankt sie sich noch einmal bei ihr. Inzwischen ist das schon das dritte Mal. Marie weiß nicht, wie sie sonst den Verabschiedungsprozess noch hinauszögern könnte. Die Frau lächelt ihr noch einmal zu und Marie begreift zu langsam, dass auch Spontanität einer gewissen Vorbereitungszeit bedarf. Zumindest bei ihr. Denn eine Einladung zu einer Tasse Kaffee kommt jetzt zu spät. Die Frau ist schon außer Rufweite. Maries Arme hängen schlapp herab. Dass sie die Frau nun einfach so gehen hat lassen, ohne ihr etwas anzubieten, verstimmt sie. Mit einem gewissen Unmut dreht Marie sich in die Richtung, die die Frau ihr vorgeschlagen hat. Sie hat Marie alles so einfach und präzise erklärt, dass sie nun zwar die provisorisch eingerichtete Haltestelle auf Anhieb findet aber die Weltzufriedenheit von vorhin, kann eine gefundene Haltestelle bei ihr nicht auslösen.

 

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