Und # 27
Angst Nr. 14: Dass wenn ich weglaufe, niemand da ist der mich wieder einfangen will.
Heute bin ich einem Gefühl begegnet, das meinen Gesichtsausdruck vollständig entgleisen hat lassen.
Ich habe noch nicht mal annähernd die Erschöpfungen aufgebraucht, die sich wegen Dir in diesem Monat angestaut haben.
Freude entsteht:
– wenn ich endlich wieder barfuss durch die Wohnung laufen kann.
– wenn ich im Schaufenster eine schöne Tasche sehe und meine Freundin sagt: Komm, ich zahl dir die Hälfte.
– wenn ich die fettige Pfanne gleich nach dem Essen abspüle.
– wenn Freunde zu mir sagen: Komm lass uns für einen Tag ans Meer fahren.
– wenn die Wollmütze, die mir C. geschenkt hat, endlich von Motten zerfressen wird.
– wenn ich mit der U-Bahn zu weit gefahren bin und beim Umsteigen dann nur auf die andere Seite des Bahnsteigs gehen muss.
– wenn ich höre, dass nun auch Frauen zu Männern »Fotze« sagen.
Ich höre mir die Wünsche der anderen an: Ein Haus auf dem Land kaufen. Ein Motorboot mit Elektromotor erwerben. Ein Kind zeugen. Drei Monate lang die Welt bereisen. Ein Sabbatical nehmen. Proust im Original lesen. Mein Wunsch: Mich gleich noch einmal ins Bett zu legen.
Heute ist mein freier Tag. Sechzehn Stunden stehen mir zur freien Verfügung. Aber ich nutze sie nicht. Und am Abend werde ich mich dann wieder fragen: Wieso eigentlich nicht.
Mir ist nach einer Performance: Ich möchte im Supermarkt jede Schachtel, jede Konservendose, jedes Glas, jede verschweißte Tüte öffnen. Alle Gerüche, die sich dahinter verbergen auf einmal freilassen. Die Regisseurin einer Duftaufführung sein.
Was ich alles kann: Ich kann Blumen aufhalten zu blühen und dich davon abhalten aufzustehen.
Denke ich, er will mich nur als Liebhaberin, zieht es mir gleich den Magen zusammen. Denke ich, bestimmt liebt er mich inniglich, flutscht Wärme in meinen Bauch und ich werde zur Strahlenkönigin. Denke ich, er will mit mir zusammen sein, um seine neurotischen Zwänge loszuwerden, laufen Tränen über meine Backen. Denke ich, er will mich sehen, weil ihm alleine langweilig ist, werden meine Worte zornig. Denke ich, er will mich sehen, weil er sich durch mich so lebendig fühlt, küsse ich ihn.