Lebensentwürfe # 45
Eine Frau packt ihren Koffer und verlässt ihre Kinder. Sie versucht nicht daran zu denken, was sie davon halten. Ein Junge mag die Mütze auf seinem Kopf nicht und wirft sie in die Pfütze. Ein Mann steigt aus dem Bett. Er ist allein, nackt und denkt, er sollte die Bettwäsche wieder einmal waschen. Ein Spatz pickt einen großen Croissantbrösel vom Teller und bringt ihn fliegend in Sicherheit. Eine Bäckereifachverkäuferin legt das Wechselgeld auf den Tresen, wünscht dem Mann einen guten Tag und denkt, dass er ihn nicht verdient hat. Ein Schnucki sagt einem anderen Schnucki nicht alles. Eine Architektin meldet sich nicht mehr bei ihrer Schwester. Dass die Schwester nicht nachfragt wieso, ärgert sie ungemein. An einem Montag ist das Maß dessen, was man erträgt schon vor dem Aufstehen erreicht. Eine Frau sagt: »Ich will dich« und legt ihre Hand auf den Brustkorb eines Mannes. Ein Vater sagt zu seinem Kind: »Das verstehst du nicht!« Das Kind sagt: »Doch!«. Der Vater möchte aber immer noch nichts verständlich machen. Ein Mann dreht den Kopf weg, er will seinen Mann zur Begrüßung nicht ansehen. Für einen Augenkontakt bräuchte er das Gefühl, zugewandt zu sein, und das kann er gerade nicht aufbringen. Ein Sohn benutzt das Auto des Vaters und fährt es gegen einen Baum. Eine Rentnerin entleert ihre Blase auf dem Sessel. Sie hat vergessen, dass es dafür Toiletten gibt. Eine Geliebte sagt immer wieder, sie habe keine Zeit. Und die Zeit sagt nichts. Nichts davon kümmert sie. Sie hat kein Ende. Nur die Ereignisse haben eines. Sie sind begrenzt.