Alltag # 127 ( Sebastian schläft ein )

Alltag # 127

Sebastian liegt auf dem Sofa. Die Erzählung spricht ihn an. Gerade erfährt er etwas von einem jungen Mann aus Griechenland. Die Autorin, eine New Yorkerin, war aus beruflichen Gründen nach Athen geflogen. Aber das Buch handelt von den Menschen, die ihr dort privat begegnet sind. Im Moment dreht sich alles um das erwachsene Kind einer Freundin der Autorin. Sebastian möchte noch mehr von dem schwierigen Sohn erfahren. Aber da ist auch die Müdigkeit. Seine Augenlider wollen schon nach unten. Lesen entspannt ihn. Oft auch zu gut. Er gibt ihrem Druck aber nicht nach und betrachtet die aneinandergereihten Buchstaben, die ab und zu von Leerstellen unterbrochen werden und dann sacken ihm doch seine Hände samt Buch nach unten. Er erschrickt, blickt auf, fokussiert den letzten Satz und beginnt ihn erneut zu lesen. Der Inhalt dringt nicht mehr bis zu ihm vor. Er gönnt seinen Augen einen kurzen Powernap. Innerlich zählt er bis zehn und reißt sie dann wieder auf. Aber die Buchstaben haben ihre Kontur verloren. Sebastian liest sie verschwommen. Er möchte wieder in Schwung kommen. Er will wissen, wie es mit dem jungen Mann weitergeht. Möchte alles von seiner Wut erfahren und wie er sie in der Öffentlichkeit geschickt versteckt, aber seinen Angehörigen gegenüber ständig zeigt. Nach zweimaligem Lesen des letzten Absatzes, weiß er immer noch nicht, was er da gerade gelesen hat. Er gesteht es sich ein, greift nach dem Teil des Einbandes, den er gerne als Lesezeichen benutzt, schlägt ihn ein und legt das Buch zur Seite. Er wird sich eine Tasse Kaffee machen. Vielleicht auch zwei. Dann wird das mit dem Lesen wieder klappen. Er wird jetzt gleich das Sieb der Espressokanne mit der neuen Kaffeeröstung befüllen. Um in die Küche zu kommen, muss er die Augen öffnen. Aber bevor er aufstehen wird, will er sie noch ein bisschen zu lassen. Er spürt Erleichterung. Spürt wie gut ihm das tut. Aber da ist auch der Wunsch Kaffee zu trinken. Er muss mehr Druck aufbauen. Die Lider gewaltsam hochstemmen. Sobald er steht, wird es gehen. Aber die Dunkelheit hinter den Lidern ist angenehm. Dieses Schwarz fühlt sich warm an. Sebastians Kopf sinkt nach hinten, landet auf der Rückenlehne seines Sofas. Er bemerkt noch, wie ausgezeichnet der Kopf auf diese Rückenlehne passt. Als wären sie füreinander geschaffen. Das nimmt er noch wahr. Dann Leere und Dunkelheit. Wann wird er wieder aufwachen? Ob die Müdigkeit das weiß? Vielleicht weiß sie etwas, was Sebastian nicht weiß. Wer weiß das schon.

 

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