Alltag # 123 (Sebastian TAnkstelle …)

Alltag # 121

Es ist Samstagabend. Sebastian möchte etwas essen, hat aber nichts zu Hause. Seine Vorräte sind aufgebraucht und den Wochenendeinkauf hat er noch nicht gemacht. Zum Supermarkt braucht er elf Minuten. Mit leerem Magen Lebensmittel einzukaufen, ist nicht ratsam. Wegen der vielen Produktangebote und dem gesteigerten Appetit kauft er dann zu viel. So viel, dass er es nicht vor dem Verfallsdatum aufessen kann. Außerdem sind an Samstagen die Schlangen an den Kassen besonders lang und er braucht jetzt schnell etwas zwischen die Kiemen. Zur Tankstelle sind es drei Minuten und dort gibt es keine langen Schlangen. Das ist die Lösung. Sebastian schlüpft in seine Schuhe und lässt die Jacke hängen. Für die kurze Strecke verzichtet er darauf sie mitzunehmen. Die Schiebetür der Tankstelle geht automatisch auf. Sebastian betritt mit einem Stoffbeutel den kühlen Minishop und beschließt, sich eine Brezel, eine Packung Butter und Eier zu kaufen. Vorne an der Theke stellt er fest, dass die Brezeln ausverkauft sind und entscheidet sich um. Er holt sich eine Tiefkühlpizza, bezahlt mit Karte und läuft zurück zur Wohnung. Die samstäglichen Eindrücke in seiner Straße deprimieren ihn. Die verkehrsberuhigte Zone. Die stillen Autos im Parkmodus. Der geschlossene Kindergarten. Die zugezogenen Vorhänge. Das Fehlen von Passanten. Er sperrt seine Wohnungstür auf und nimmt sich vor, gleich Marie anzurufen. Es wäre gut, heute noch etwas zu erleben. Sebastian schaltet den Backofen ein, holt die Pizza aus dem Karton, legt sie in den Ofen, wirft den Karton zum Altpapier, greift nach dem Telefon und zögert. Marie ist für kurzfristige Vorschläge meistens nicht zu haben. Sie plant den Ablauf ihres Wochenendes schon im Voraus. Sebastian überlegt, wie er damit umgehen wird, wenn sie keine Zeit hat. Wird ihm das die Laune verderben? Er fragt sich, wer von seinen Freunden noch nichts vorhaben könnte und nach wie vielen Telefonaten er dann aufgibt. Sebastian stöhnt, weil es durchaus sein könnte, dass alle schon etwas vorhaben, nur er eben nicht. Ihm fällt ein, dass er das auch schon erlebt hat, dass so kurzfristig gar niemand Zeit hatte. Und das möchte er jetzt lieber doch nicht wissen. Sebastian schaltet den Ofen aus. Er will jetzt auch keine Pizza mehr. Er schiebt das noch nicht vollständig aufgetaute Stück zurück in den Karton und bunkert es im Gefrierfach seines Kleinkühlschranks. Er geht zum Regal, gießt sich Schnaps ein und trinkt. Heute, denkt er sich, werde ich nicht herausfinden, wie meine Chancen stehen. Heute ist ein Tag, an dem ich nicht hören möchte, wie beschäftigt alle sind. Sebastian gießt sich noch einen Schnaps ein. Er weiß, bis zum Bett wird er es heute auf alle Fälle noch schaffen.

 

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