Alltag # 60
Marie saß in einem Café in einer Gegend, die sie nicht besonders mochte. Sie mochte die hier vorherrschenden Leute nicht. Schicke Klamotten, schicke Tattoos, schick angezogene Kinder, schicke Fahrräder. Aber gleich wieder nach Hause fahren wollte sie auch nicht. Sie hatte vorgehabt, sich Haarseife zu kaufen. Dann hatte der Laden aber schon zu gehabt, der laut Google Maps noch offen hatte. Der Kellner stellte Marie einen Eiskaffee hin. Die Sahne war so hoch aufgetürmt, dass sie den Kaffee im Glas nicht umrühren konnte. Marie griff nach dem Löffel und schaufelte sich etwas davon in den Mund. Auf der Zunge angekommen fiel sie jedoch sofort zusammen. Sprühsahne hinterließ immer das Gefühl, man würde aufgeschäumte Luft mit etwas Fett vermischt zu sich nehmen. Marie legte den langstieligen Löffel zurück auf den Unterteller, stülpte ihre Lippen über den Strohhalm, zog daran und ließ ihn dann aber schnell wieder los. Der Kaffee schmeckte verwässert. Sie drehte den Eisbecher um die eigene Achse und sah, dass er mit Eiswürfeln vollgestopft war. Sie fischte fünf große Quader heraus und suchte anschließend nach der Kugel Vanilleeis. Die hatte sich aber schon aufgelöst. Marie stöhnte. Sie wusste nicht, wie sie jetzt darüber hinwegkommen sollte, dass alles nicht schmeckte und trotzdem sieben Euro kostete. Sie schob das Glas weg und überlegte die Zeche zu prellen. Sie könnte die sieben Euro dem osteuropäischen Mann geben, der immer auf der Brücke saß, die vor der S-Bahnstation lag. Und der dort altmodisch klingende Lieder sang. Sie vermutete bulgarische. Sie wärmten einem das Herz, auch wenn man den Text nicht verstand. Oder war es gerade deswegen? Ich will, dachte Marie, das friedliche Miteinander, das einem hier vorgegaukelt wird, bloßstellen.