Alltag # 32
Sebastian steht auf dem Bahnsteig. Die morgendliche Sonne wärmt sein Gesicht. Neben dem Gleis, auf dem die S-Bahn fährt, die ihn jeden Tag mitnimmt, ihn jeden Tag einsteigen lässt, gibt es ein weiteres Gleis. Meistens passiert auf diesem zweiten Gleis nichts. Ab und an sieht Sebastian dort einen ICE vorbeifahren. Einem ICE schenkt Sebastian keine Aufmerksamkeit. Seine Fenster machen alles so durchschaubar. Aber heute braust mit hoher Geschwindigkeit eine Lock heran. Eine pechschwarze. Luft wird verdrängt, zusammen gepresst und streift als Fahrtwind Sebastians Nase. Der Saum seiner offenen Jacke weht von seinem Körper weg. Sein Hemd wird leicht aufgebläht. Nicht enden wollende rostfarbene Wagons rasen vorbei. Das fensterlose fasziniert Sebastian. Weder ist erkennbar was transportiert wird noch aus welchem Land die Güter stammen. Sebastian versucht ein paar Aufschriften auf den Container zu entziffern. Es gelingt ihm nicht. Der Zug ist zu schnell. Sebastian horcht auf das Geräusch, das die Räder in Verbindung mit den Gleisen machen. Das so typische Rattern. Sebastian lässt den metallischen Sound in jede Pore seines Körpers eindringen. Wenn er könnte würde er die Töne auffangen, in Behälter packen und mitnehmen. So sehr liebt er diesen Ton. Ein Ton des Ungebundenseins. Ein Transportzug mit Gütern braucht nicht stehenzubleiben. Er muss weder hier anhalten noch im nächsten Bahnhof. Noch nicht einmal in der nächsten oder übernächsten Stadt. Er rauscht einfach vorbei. An allem.